Scheidung in jedem Fall sinnvoll?

Grundsätzlich liegt es in den meisten Fällen auf der Hand, dass die Durchführung eines Scheidungsverfahrens sinnvoll ist. Die formale Scheidung schließt oft einen Lebensabschnitt ab und die Geschiedenen können sich dann ohne Altlasten ihrer neuen Zukunft, oft mit neuen Partnern oder gar einer neuen Familie widmen. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht für alle in gleichem Maße, was auch in einem aktuellen Fall aus meiner Tätigkeit als Scheidungsanwältin in Koblenz deutlich wird:

Die Eheleute sind mehr als 40 Jahre verheiratet, beide zum Zeitpunkt der Trennung bereits im Rentenalter. Der Ehemann hat während der Ehe ein Haus in seinem Alleineigentum erworben, indem er mit seiner Frau während der Ehe lebte. Das Haus, welches über verschiedene Stockwerke und damit über verschiedene Wohnungen verfügt, ist abbezahlt und damit schuldenfrei. Nach dem Auszug der Ehefrau stehen zwei Wohnungen leer, die dritte bewohnt der Ehemann. Der Ehemann hat Renteneinkünfte von etwa 1.600,-- €, die Ehefrau von etwa 1.300,-- €.

Welche Folgen wird die Trennung bzw. Scheidung im vorgenannten Fall haben?
Da das Haus im Alleineigentum des Ehemannes steht und auch schuldenfrei ist, fällt dessen Wert in den Zugewinnausgleich. Weitere Vermögensgegenstände sind allenfalls beim Ehemann vorhanden, nicht jedoch bei der Ehefrau, sodass im Ergebnis der Ehemann einen Geldbetrag in Höhe des hälftigen Wertes des Hauses an seine Frau zahlen muss als sogenannten Zugewinnausgleich. Da der Ehemann nicht über liquide Geldmittel verfügt, bedeutet dies, dass das Haus aller Voraussicht nach verkauft werden muss.

Daneben ist der Ehemann, zumindest für die Trennungszeit, gegebenenfalls auch für die Zeit danach verpflichtet, Unterhalt an seine Frau zu zahlen. Dabei wird nicht nur das Renteneinkommen als Einkommen gewertet, sondern auch Mieteinnahmen aus der Vermietung der Wohnungen in dem Haus des Ehemannes bzw. ein Wohnwertvorteil für die Wohnung, die von dem Ehemann selbst genutzt wird. Erzielt der Ehemann, wie vorliegend, faktisch keine Mieteinnahmen, so werden ihm sogenannte fiktive Mieteinkünfte – hier für zwei Wohnungen – angerechnet. Fiktive Mieteinnahmen sind solche, die zwar tatsächlich von dem potentiellen Vermieter nicht vereinnahmt werden, die aber erzielbar wären, würde er sein Haus bzw. seine Wohnung einer Vermietung zuführen. Darüber hinaus wird Getrenntlebenden bzw. Geschiedenen auch der Mietwert für die selbst genutzte und im Eigentum stehende Wohnung angerechnet, d.h. Ihr Einkommen erhöht sich um den Wert, den Sie für eine angemessene vergleichbare Wohnung auf dem freien Markt zahlen müssten. Der angemessene Wohnwert gilt für das Trennungsjahr, der vergleichbare übliche Mietwert für die Zeit danach.
Das Bittere an den fiktiven Mieteinkünften ist, dass faktisch dieses Einkommen dem Unterhaltsverpflichteten nicht zur Verfügung steht, es aber zur Berechnung des Unterhalts herangezogen wird mit der Folge, dass sich ein höherer Unterhaltsanspruch des Unterhaltsberechtigten ergibt.

In meinem Fall wehrt sich der Ehemann derzeit, sein Haus einer Vermietung zuzuführen. Es werden die in diesen Fällen üblichen Argumente wie Unvermietbarkeit aufgrund mangelhafter Zustände vorgetragen.

Dies alles führt dazu, dass der Ehemann aller Voraussicht nach faktisch ein Unterhalt an seine Frau zahlen wird, der ihn dann auch nicht in die Lage versetzen wird, finanziell die laufenden Kosten für ein Haus zu tragen.

Es bleibt abzuwarten, wie die Familiengerichte in diesem Fall entscheiden werden.

Gerade im Hinblick auf die Gesamtsituation war dem Ehemann vorgerichtlich mehrfach angeboten worden, dass die Wohnungen im Haus zwischen den Eheleuten aufgeteilt werden und auf diese Weise die Ehefrau einerseits und der Ehemann andererseits in dem Haus weiter hätten leben können. Das Wohnen in diesem Haus hätte die Ehefrau sich ebenfalls in Form eines Wohnwertvorteils zurechnen lassen müssen, sodass der Unterhalt, der dann zu zahlen gewesen wäre, sich entsprechend verringert hätte. Beiden Eheleuten hätte in diesem Fall aber ihr Renteneinkommen noch zur Verfügung gestanden, sodass beide Eheleute ihr Auskommen gehabt hätten. Zudem hätte die 3. Wohnung durch Vermietung weitere Einkünfte bringen können. Diese Lösung hätte jedoch vorausgesetzt, dass die Eheleute sich dazu entschlossen hätten, keine formale Scheidung durchzuführen. Ohne Durchführung des formalen Scheidungsverfahrens wären die Rentenanwartschaften beider Eheleute in gleicher Höhe bei ihnen verblieben. Diese werden nunmehr im Rahmen des Scheidungsverfahrens und des somit durchzuführenden Versorgungsausgleiches eine Änderung erfahren.

In Fällen wie dem Vorbeschriebenen stellt sich also wahrhaft die Frage: Ist die Durchführung eines Scheidungsverfahrens immer wirtschaftlich sinnvoll? In diesem Falle muss die Antwort wohl eindeutig „Nein“ lauten.

Gerade wenn die Eheleute eine lange Ehe geführt haben und wesentliche Zeiten ihres Erwerbslebens in ihrer Ehe verbracht haben, stellt sich gleichzeitig die Frage, ob eine Vermögensauseinandersetzung und Scheidung mit allen Folgen der „richtige“ Weg ist. Möglicherweise lassen sich hier alternative Wege finden, die für beide Ehegatten wirtschaftlich sinnvoller sind.

Sind auch Sie von diesem Themenkreis betroffen und erwägen, eine Regelung außerhalb des formalen Scheidungsverfahrens zu treffen bzw. überlegen, ob eine solche Regelung in Ihrem Falle sinnvoll ist, dann sprechen Sie mich hier an oder nehmen telefonisch Kontakt auf unter Telefon: 0261 / 45098812.



Eingestellt am 11.07.2016 von N. Thönnes
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