Streitpunkt Impfung des Kindes

Was geschieht, wenn sich getrenntlebende Eltern nicht darüber einigen können, ob ihre Kinder geimpft werden sollen. Im Fall, der dem Familiengericht Darmstadt im Sommer 2015 zur Entscheidung vorlag, verhielt es sich so, dass die Eltern zunächst noch einig waren, dass die bei der Mutter lebenden Kinder in der ersten Lebenszeit nicht geimpft werden sollten. Während der Vater von Anfang an ein Impfgegner war, änderte die Mutter ihre Einstellung zur Impfung, nachdem sie mit der Kinderärztin eingehende Gespräche geführt hatte. Die behandelnde Kinderärztin riet zu der Impfung nach den Empfehlungen der sogenannten „ständigen Impfkommission“. Danach sind Impfungen gegen Keuchhusten, Pneumokokken und Tetanus sowie Diphterie sinnvoll. Die Kindesmutter wandte sich an den Kindesvater und bat diesen um Zustimmung zu den geplanten Impfungen. Dieser lehnte jedoch die Impfungen seiner Kinder kategorisch ab, sodass die Kindesmutter das zuständige Familiengericht anrief und beantragte, ihr die Alleinentscheidungsbefugnis zur Durchführung der Impfungen zu übertragen.

Das Gericht entschied zugunsten der Mutter. Zunächst stellte das Familiengericht Darmstadt, vor dem dieser Fall verhandelt wurde, fest, dass die Frage, Impfungen bei Kindern vorzunehmen, zu den sogenannten Entscheidungen in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens (sogenannte Alltagssorge) zählt. Bei den streitigen Impfungen handelt es sich um Schutzimpfungen, welche allgemein empfohlen werden. Des Weiteren gehöre die Impffrage zum Teil der sogenannten
U-Vorsorgeuntersuchungen, welche ihrerseits ebenfalls zur Alltagssorge gehörten. Die streitigen Impfungen zählten des Weiteren zu denjenigen, welche von der weit überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung durchgeführt würden.

Es entspreche daher der Lebenswirklichkeit, dass derjenige über die Vornahme von Impfungen die Entscheidung trifft, bei dem die Kinder sich gewöhnlich aufhalten. Dies stehe auch in Einklang damit, dass Impfungen der streitigen Art die unmittelbare Gesundheitssorge betreffen und von den durchgeführten Impfungen auch das Verhalten im Alltag tangiert sei. So könne eine nicht vorhandene Tetanus-Impfung beispielsweise für den betreuenden Elternteil zur Folge haben, dass diese es nicht verantworten könnten, die Kinder an bestimmten Stellen im Freien spielen zu lassen. Auch unter diesem Aspekt sei es folgerichtig, die Entscheidung über die Vornahme der Impfung durch den Elternteil treffen zu lassen, bei dem die Kinder sich gewöhnlich aufhalten. Hierbei handele es sich in der Regel auch um den Elternteil, der regelmäßig über den Gesundheitszustand der Kinder am besten informiert ist. Zudem seien die Folgen des Nichtimpfens möglicherweise derart gravierend, dass die Angelegenheit erhebliche Bedeutung erlangen kann.
Amtsgerichts Darmstadt, Beschluss vom 11.06.2015, Az. 50 F 39/15.SO
Bemerkungen

In meiner Kanzlei hatte ich vor kurzem einen ähnlichen Fall:
Die beiden minderjährigen Kinder der getrenntlebenden Eheleute lebten zunächst bei der Mutter, zogen später aber beide zu dem Vater. Eines der Kinder, der Sohn, zeigt Verhaltensauffälligkeiten, vor allem in der Schule. Die Ärzte rieten den Eltern an, das Kind mit dem Medikament „Dipiperon“ zu behandeln. Es wurde mit Zustimmung der Kindesmutter das Medikament dem Sohn verabreicht. Es stellt sich auch eine Besserung im Verhalten des Kindes ein. Dieses war konzentrierter und ausgeglichener. Bei dem Gespräch, in welchem die Kindesmutter ihre Zustimmung zur Behandlung des Sohnes mit vorbezeichnetem Medikament gegeben hatte, war vereinbart worden, dass der Sohn das Medikament nur eine gewisse Zeitdauer erhalten und sodann erneut über die weitere Gabe von Dipiperon entschieden werden sollte.

Als nach Ablauf der „Probephase“ die Kindesmutter ihre Zustimmung zur Weiterbehandlung ihres Sohnes erteilen sollte, verweigerte sie diese. Wenige Tage nach Absetzen des Medikamentes war das Kind in seinem Verhalten wieder auffällig. Der Junge konnte ich im Unterricht nicht konzentrieren, war unaufmerksam und leicht ablenkbar und zeigte sich zudem aggressiv gegenüber Mitschülern und Lehrern. Diese Vorfälle steigerten sich derart, dass das Kind für den Teil eines Schultages vom Unterricht ausgeschlossen wurde. Die Kindesmutter wurde nochmals gebeten, ihre Zustimmung zur Weiterbehandlung ihres Kindes mit dem genannten Medikament zu erteilen, was sie jedoch nicht tat.

Der von mir vertretene Kindesvater beantragt aufgrund der beharrlichen Verweigerung der Zustimmung der Kindesmutter zur Weiterbehandlung des Sohnes mit Dipiperon die familiengerichtliche Übertragung der Entscheidungsbefugnis über die Fortsetzung der Behandlung des Sohnes mit dem Medikament. Auch in diesem Falle hat das zuständige Familiengericht dem Vater, bei dem die Kinder leben, die Entscheidungsbefugnis über die Weiterbehandlung mit dem genannten Mittel übertragen. Da kein Rechtsmittel eingelegt wurde, wurde die Entscheidung rechtskräftig.

Die im Anschluss daran durchgeführte Behandlung mit dem vorgenannten Medikament führte zu einer Besserung des Verhaltens des Kindes, sodass der Schulalltag für alle Beteiligten entspannter gestaltet werden konnte. Auch die schulischen Leistungen des Kindes besserten sich unter dieser Behandlung.

Haben Sie Fragen zu diesem Thema? Dann nehmen Sie bitte hier Kontakt auf oder rufen sie unter Telefonnummer 0261/914 599-25 an.



Eingestellt am 23.02.2016 von N. Thönnes
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