Fristlose Kündigung wegen Belästigung auch nach einem Jahr

Über nachfolgenden Sachverhalt hatte das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Ende des Jahres 2015 zu entscheiden:

Seit 1993 war der Kläger als Abteilungsleiter bei der Beklagten, einem Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels, beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 20.01.2015 fristlos und begründete die Kündigung mit einem Verzehr eines Stückes Fleisches im Wert von 0,80 €. Der Kläger wehrte sich dagegen mit einer Kündigungsschutzklage und erklärte, es habe sich bei dem Verzehr des Stückes Fleischs um eine erforderliche Probe gehandelt.

Nach Ausspruch der Kündigung erfuhr der Arbeitgeber von einem Vorfall aus dem Frühjahr 2014. Damals hatte der Kläger die Tür zu einem Raum geschlossen, in dem nur eine Mitarbeiterin und er sich befanden. Er drängte die Mitarbeiterin an die Wand, umarmte sie und strich ihr mit den Armen den Rücken hinab bis zum Po. Die Mitarbeiterin erzählte den Vorfall zunächst ausschließlich der Marktleiterin. Das Arbeitsgericht Elmshorn (Urteil vom 11.06.2015, 3 Ca 120a/15) erachtete die fristlose Kündigung als unrechtmäßig. Die Beklagte ging hiergegen in Berufung. Anders als das Arbeitsgericht erachtete das Landesarbeitsgericht die fristlose Kündigung als rechtmäßig und wies die Kündigungsschutzklage ab.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme stand für das Gericht fest, dass es sich bei der Behauptung des Klägers, es handele sich bei dem Verzehr des Stückes Fleisch um eine zulässige Probe, um eine Schutzbehauptung handele. Dieser habe durch den Verzehr des Stückes Fleisch ein Vermögensdelikt zu Lasten seines Arbeitgebers begangen. Dies hat trotz langjährigen Arbeitsverhältnisses angesichts der Vorgesetztenstellung nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts zumindest eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt. Entscheidend wertet das Gericht den nach der Beweisaufnahme feststehenden sexuellen Übergriff des Klägers als wichtigen, die fristlose Kündigung begründenden Grund.

Da der Arbeitgeber erst nach Ausspruch der Kündigung von der sexuellen Belästigung der Mitarbeiterin erfuhr, musste er nicht die 2-Wochenfrist des § 626 BGB einhalten. Zwar lag der Vorfall lange zurück, die Kündigung des Arbeitgebers konnte jedoch hierauf gestützt werden. Das Wissen der Marktleiterin ist dem Arbeitgeber nicht zuzurechnen. Sie hatte auch nicht die Erlaubnis des Opfers, den Vorfall an die Geschäftsführung weiterzuleiten. Angesichts der Schwere des Vorfalls war es dem Arbeitgeber auch nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen.
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.11.2015, Az. 2 SA 235/15

Haben Sie Fragen zu diesem Thema? Dann nehmen Sie bitte hier Kontakt auf oder rufen sie unter Telefonnummer 0261/914 599-25 an.



Eingestellt am 11.03.2016 von N. Thönnes
Trackback

Kommentar hinzufügen:

Ihr Kommentar wird nach Überprüfung veröffentlicht.
Ihre persönlichen Daten werden nicht angezeigt.
Ihr Name:
Ihr Kommentar:
Registrieren: E-Mail Benachrichtigung bei neuen Kommentaren.
Registrierte Nutzer können Benachrichtigungen per Email
anfordern, unseren Newsletter abonnieren und weitere
Informationen erhalten.
Spamschutz: Bitte geben Sie die Zeichen auf dem Bild ein.
Neu laden

Wie viele Zeichen befinden sich im Bild?


Bewertung: 0,0 bei 0 Bewertungen.
Wie hilfreich fanden Sie diese Informationen?
(1=wenig hilfreich, 5=sehr hilfreich)